Home

zurück

Der Tunnel

 

Der wichtigste Bauabschnitt war, wie eingangs erwähnt, der Bau des Fahrnauer Tunnels. Die Bauaufsicht hierüber erhielt Abteilungsleiter Alfons Zollinger.

Der Tunnel durchbricht die Wasserscheide zwischen der Wiese und der Wehra durch den Dinkelberg an der schmalsten Stelle zwischen Fahrnau und Hasel. Die Richtung des Tunnels ist im Innern gerade, auf beiden Seiten schließen sich Bogen an, die in den Tunnel hineinreichen.

Die Neigungsverhältnisse im Fahrnauer Tunnel

Die Richtungsverhältnisse im Fahrnauer Tunnel

Die Absteckung der Tunnelachse erforderte ungewöhnliche geometrische Arbeiten, da als Erschwerung hinzukam, daß die Bahn beiderseits in einem Bogen in den Tunnel einlaufen mußte. Als Triangulationspunkte zur Vermessung wurden u.a. verwendet:

1. Bodensignal Wehr
2. Alter Kirchturm der Ruine Bärenfels
3. Kirchturm von Hasel
4. Schulhaus in Kürnberg
5. Bodensignal in Fahrnau
6. Kirchturm in Fahrnau
7. Nordschwaben Bodensignal
8. Kirchturm in Wehr
9. Kirchturm in Eichen
Hierzu wurden noch weitere 19 Punkte bestimmt.

Die weiteren Absteckungen im Tunnel selbst sollten durch Techniker des Unternehmens durchgeführt werden. Die aufsichtführende Inspektion selbst sollte nur von Zeit zu Zeit Kontrollabsteckungen durchführen.

Der Unternehmer war jedoch nicht in der Lage, jene Vermessungen durchzuführen.

Jede Kontrollmessung ergab Abweichungen in der Absteckung, so daß bei deren Beibehaltung ein richtiger Durchschlag nie erfolgt wäre. Es zeigte sich, daß dem Geometer der Bauleitung mehr Vertrauen entgegengebracht werden konnte, als den Messungen der Ingenieure des Unternehmens. Dies bereitete der Bauleitung nicht nur viel Mühe, sondern auch vermehrte Kosten. Nicht nur auf die genaue Einhaltung der Tunnelrichtung, sondern auch auf die Höhenlage mußte größte Sorgfalt gelegt werden.

Der Unternehmer verpflichtete sich, den zweigleisigen Tunnel einschließlich Schotterbett für ein Gleis bis zum 1. Januar 1890 fertigzustellen, das bedeutete 2 Jahre und 4 Monate Zeit.

Die Lieferung der erforderlichen Baumaterialien wurde sofort durch Verträge abgesichert. Die verschiedensten Gebäulichkeiten für die Unterbringung der technischen Hilfsmittel mußten errichtet werden, Lagerplätze eingerichtet und Dienstbahnen gebaut werden.

Auf der Westseite des Tunnels bei Fahrnau stellte der Unternehmer ein Maschinenhaus mit einer 60 PS starken Lokomobile zur Erzeugung des für die Bohrmaschinen erforderlichen Wasserdrucks auf. Dieses Wasser trieb eine Saug- und Druckpumpe an, mit welcher man einen Druck von 100 Bar erzielen konnte. Über Rohrleitungen strömte das gepreßte Wasser in den Tunnel zu den zwei Bohrmaschinen.
Eine zweite Lokomobile von etwa 30 PS hielt einen Ventilator, zwei Schmiedeöfen, einen Schleifstein, eine Fräsmaschine zum Schärfen der Bohrer, eine Eisenbohrmaschine, eine Drehbank, eine Dynamomaschine für die elektrische Beleuchtung des Tunnels mit Glühlampen und der Vorplätze mit Bogenlampen in Betrieb. Für den Materialtransport verlief vom Bahnhof Schopfheim aus eine 2,8 km lange Bahn zu den Installationsplätzen.

Übersichtsplan westliche Baustelle vor dem Tunnel - Seite Fahrnau

Durch Anklicken des obigen Bildes erscheint dieses im Großformat

Westliche Baustelle vor dem Tunnel - Seite Fahrnau
Foto: Slg. Th. Hebding

Bis zur Fertigstellung des Maschinenhauses wurde die Bohrung des Stollen von Hand betrieben.
Die Maschinenbohrung begann erst im Dezember 1887 und wurde am 8. Februar 1888 eingestellt.
Bei der Maschinenbohrung hatten sich mannigfaltige Schwierigkeiten eingestellt : Verstopfung des Bohrers durch Ton, auch die Ableitung des Abwassers der Bohrmaschine aus dem Tunnel wollte nicht klappen. Vermutlich infolge schlechter Bedienung der Maschinen durch die Arbeiter, welche Wasser sparen wollten. Dadurch verstopften die Bohrlöcher wieder.
Im März 1888 wurde dann die Handbohrung wieder aufgenommen.

Ein Materialzug ist unterwegs zum Tunnel
Foto: Slg. Th. Hebding

Im Dezember 1888 stieß man auf eine starke Quelle. Wegen mangelhafter Einrichtung für Ableitung des Wassers konnte hier nicht weiter gearbeitet werden. Der Stollen ersoff. Erst im Januar 1889 konnten die Arbeiten wieder aufgenommen werden.
Im März wurden die Stollenarbeiten bis zum Durchschlag von Osten her, wiederum wegen starken Wasseranfalls, eingestellt.

Die Schuld für diese Misere lag beim Unternehmer, da dieser die Bewältigung des Wasserabflusses ganz dem Zufall überließ.

Nach Vollendung des Ausbruchs begann man mit der Mauerung. Die Kalksteine für das Widerlagermauerwerk kamen aus den Brüchen bei Kürnberg und Maulburg. Die Gewölbequader wurden aus der Pfalz, dem Odenwald, dem Elsaß und unbedeutende Mengen aus dem kleinen Wiesental bei Schopfheim bezogen. Den Kalk für den Mörtel beschaffte der Bauunternehmer von Beggenried am Vierwaldstädter See (Schweiz). Der Granitsand von Hausen im Wiesental mußte zuerst gewaschen werden, da er sehr lehmig war.

Ständiger Mangel an Bruchsteinen ließ die laufende Mauerung zu einem Problem werden, da auch hier der Unternehmer nicht die notwendige Sorgfalt walten ließ.

Waren nur noch einige Steine vorhanden, kümmerte sich niemand um die Beschaffung des nötigen Nachschubs, so daß oft zu den ungünstigsten Jahreszeiten die Steine gebrochen und herangeschafft werden mußten. Auch versuchte der Unternehmer Geld zu sparen, in dem er die Steine ungewaschen vermauern ließ, was wiederum genügend zu Ärger Anlass gab.

Den Abtransport des Materials besorgten 3 Lokomotiven mit 90 Schuttwagen und 50 Steinwagen und Plattformwagen.
Täglich verkehrten 10 bis 12 Materialzüge aus dem Tunnel.
Die Lokomotiven wurden mit überspanntem Dampf (15 at) angetrieben.

Östliche Baustelle vor dem Tunnel - Seite Hasel

Durch Anklicken des obigen Bildes erscheint dieses im Großformat

Auf der Ostseite des Tunnels bei Hasel sah es ähnlich aus. Es wurden dieselben Arbeiten wie auf der Fahrnauer Seite ausgeführt. Auch auf dieser Seite ersoff gar manchmal der Stollen und und konnte meist nur mit aller Mühe wieder wasserfrei gemacht werden, damit man die Arbeiten fortsetzen konnte.

Die Steine für die Widerlager kamen aus den Muschelkalkbrüchen neben der Landstraße Hasel-Wehr. Die Gewölbequader waren von denselben Bezugsorten wie diejenigen auf der Westseite und wurden vom Bahnhof Schopfheim aus mit gewöhnlichen Fuhrwerken auf der Landstraße über den Berg auf die Ostseite des Tunnels geführt.

Bei der Mauerung gab es hier nicht nur Mangel an Bruchsteinen, sondern auch an Quadersteinen, da die Zufuhr von Schopfheim im Winter wegen der schlechten Straßen öfters unterbrochen war. Auch auf dieser Seite gab es öfters Ärger, weil auch hier der Unternehmer versuchte, die Tunnelausmauerung weniger solide herzustellen. Dies führte zu Brüchen und Rissen, die immer wieder ausgebessert werden mußten.

Die östliche Tunnelbaustelle auf der Seite Hasel
Foto: Stadtarchiv Wehr

Am 19. Mai 1889 trafen die Bauarbeiter von den beiden Seiten etwa in der Mitte des Tunnels zusammen.
Der 20. Mai 1889 wurde, nachdem der Durchbruch vollständig fertig war, festlich begangen und ging als bezahlter Ferientag in die Geschichte der Bahn ein.
Der Durchschlag erfolgte so genau, als es nur verlangt werden konnte. Die beiden Achsenrichtungen von Osten und Westen her differierten beim Zusammentreffen nur um 2 cm, was praktisch genommen gleich Null war. Nicht nur die Tunnelrichtung war exakt eingehalten worden, sondern auch die Höhenlage ergab beim Durchschlag nur einen Höhenunterschied der beiden Richtungen von 4 mm. Am 12. März 1890 wurde der letzte Stein im Tunnel eingefügt.

Die komplette "Beschreibung der Herstellung des Fahrnauer Tunnels" finden wir in der

welche Herr Christian Rößler auf seiner Homepage online gestellt hat.

 

Die beiden Tunnelportale kurz vor ihrer Fertigstellung 1889 / 1890
Foto: DB-Archiv

Die Tunnelportale, aufgenommen aus dem Führerstand des letzten Reisezuges am 22. Mai 1971
links die Tunneleinfahrt Seite Hasel, rechts die Ausfahrt nach Fahrnau
Foto: © W. Schepperle


Blick in den Tunnel im Mai 1971
Foto: © Günther Leber

Die Tunnelportale in März 2002
links das Portal Seite Hasel, rechts das Portal Seite Fahrnau
Foto: © R. Schruft

Der Fahrnauer Tunnel, wird im Volksmund auch Hasler Tunnel genannt. Seine ehemalige Bezeichnung "Großherzog-Friedrich-Tunnel" dürfte wohl den wenigsten bekannt sein.
Er war mit seiner Länge von 3170 Metern bis zum Bau der Neubaustrecken der Deutschen Bahn
übrigens der drittlängste Eisenbahntunnel in Deutschland.

Insgesamt waren 216.340 cbm Stein ausgebrochen worden. Dies war zu jener Zeit wirklich keine Kleinigkeit. Der Fertigstellungstermin wurde um 4 Monate überschritten. Teilweise war dies eine Folge vermehrter Arbeitsleistung gegenüber den Annahmen des Vorschlages, da auf großen Strecken des Tunnels stärkere Mauerungsprofile ausgeführt werden mußten als vorgesehen.

Auch an der Arbeitsweise des Unternehmers mußte Kritik geübt werden. Unter diesen Gesichtspunkten scheint es wie ein Wunder, daß die Terminüberschreitung nur vier Monate dauerte. Man schreibt dieses verhältnismäßig günstige Resultat mehr der Energie der Staatsbauleitung als dem guten Willen und dem Geschick des Unternehmers zu.

Bereits im Jahre 1902 musste anscheinend das Gleis im Tunnel umgebaut werden. Die Bauarbeiter stellten sich zum Abschluss ihres gelungenen Werkes zu einem "Familienfoto" vor dem Tunnel auf:

"Erinnerung an den Gleisumbau 9. September 1902"

Das war eben noch richtige Eisenbahn, wo man nach getaner Arbeit noch Zeit für ein Erinnerungsfoto hatte.

Interessant sind die Arbeitsgeräte, welche die Arbeiter hier präsentieren. Bei dem 4. Mann von links handelt es sich um den Rottenführer, der Zivilist in der Bildmitte auf dem Schienenfahrrad dürfte der Bahnmeister sein.

Ein weiteres "Erinnerungsfoto" von Bauarbeitern am Tunneleingang.
Wann dieses Foto entstanden ist, ist leider nicht bekannt.
Foto: Archiv Eisenbahnfreunde Wehratal e.V.

Nachstehend noch einige interessante Berichte über den Tunnel:

Pressebericht über das Eisenbahngeschütz im Tunnel

Und wie die Sprengung des Tunnels kurz vor Kriegsende 1945 verhindert wurde, lesen Sie hier

Und hier gibt es Fotos vom aktuellen Zustand des Fahrnauer Tunnels ( 2006), veröffentlicht auf der Homepage von Herrn Christian Rößler.

Home

zurück