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Das Lörracher "Trämli"

- Aus der Geschichte einer Straßenbahnlinie -

1919 bis 1947

Zu dem im Vertrag vorgesehenen durchgehenden Betrieb Basel - Lörrach kam es zunächst nicht. Die kantonale Straßenbahnverwaltung unterhielt von der Landesgrenze bis Lörrach einen Pendelbetrieb, es mußte an der Grenze umgestiegen werden.

Am 10 November 1919 veröffentlichte die Betriebsinspektion der Basler Strassenbahnen mit "Specialcircular No. 76" die


"Dienstvorschriften
für den Betrieb der Linie Landesgrenze.Stetten - Lörrach (Bahnhof)
Betriebseröffnung 16. Nov. 1919"


Fahrplan und Dienstplan gültig ab 16. November 1919

In den Akten ist handschriftlich vermerkt:

"Der Tramwagendienst wird Werktags und Sonntags von 2 Schaffnern und je 2 Führern wahrgenommen. Für diese sind Arbeitszeiten vorgesehen an:

Werktagen: Tour 1: 7 Stunden 40 Min ; Tour 2 : 7 Stunden 30 Minuten

Sonntags: Tour 1: 8 Stunden 50 Minuten; Tour 2: 7 Stunden 50 Minuten"

Aushangfahrplan gültig ab 16. November 1919

Zur Vergrößerung des Fahrplans bitte hier klicken (269 KB)

Bei der ganzen Angelegenheit hatte natürlich auch der Zoll einige Worte mit zu reden. Bereits am 27. Juli 1919 hatte die Großherzogliche Zoll- und Steuerdirektion in Karlsruhe entsprechende "Zollamtliche Vorschriften für den Verkehr auf der elektrischen Bahn von Basel über Riehen nach Lörrach" erlassen.

Das Hauptsteueramt in Lörrach hat diese Vorschriften allerdings erst am 13. November 1919 der Bevölkerung bekannt gemacht.

Am 18. November 1919 wurden die "Zollamtlichen Vorschriften" im "Oberländer Bote" abgedruckt.

Der Fortschritt im Jahre 1919 war unverkennbar, konnte jedoch nicht über die vielen Schwierigkeiten hinwegtäuschen, die deutsch-schweizerischen Währungsunterschiede und die fortschreitende Inflation mit sich brachten.

Dabei war das Quietschen der Straßenbahnwagen in den engen Kurven der Turmstraße, über welches sich anfänglich die Bevölkerung beschwerte, noch das kleinere Übel.

Am 4. Februar 1920 teilte die Generaldirektion der Badischen Staatseisenbahnen mit, dass die Stadt Lörrach Herrn Direktor Giesin der Basler Straßenbahn als verantwortlichen Geschäftsführer gegenüber der Staatsaufsichtsbehörde benannt habe. Stellvertreter wurde Betriebsinspektor Wellauer der Basler Straßenbahnen. (Siehe Punkt 1). des Abnahmeprotokolls vom 13. November 1919.)


 

Am 1. Januar 1923 trat ein neuer Fahrplan sowie ein neuer Dienstplan für das Personal in Kraft.

 

Dienstfahrplan gültig ab 1. Januar 1923


Dienst-und Ruhetagseinteilung, Fahrordnungen Werktags und Sonntags sowie Traifbestimmungen
gültig ab 1.Januar 1923

Diese Pläne mussten auch der Betriebsinspektion in Basel vorgelegt werden. Sie hatte dagegen nichts einzuwenden.

In den folgenden Monaten wurde der Fahrplan noch mehrmals dahingehend geändert, daß man wegen Verkehrsrückgang immer mehr Fahrten strich. Man sprach damals vom "Sparfahrplan".

Die Inflation der Jahre 1922 und 1923 forderte ihre Opfer und bereitete der Straßenbahn große Schwierigkeiten.

Bereits am 1. Juni 1923 war der Fahrpreis auf 500 Mark festgesetzt und stieg bis zum 15. Oktober 1923 auf 20 Millionen Mark. Die Basler erklärten sich außerstande, das nötige Wechselgeld für den Fahrbetrieb bereitzuhalten.

Schließlich einigte man sich, dass das Fahrgeld in Schweizer Währung zu entrichten ist. Ab 21. Oktober wurden dann einheitlich 20 Cts. verlangt, aber wer hatte die schon?

Es gab Proteste der Bevölkerung. Man fragte in Karlsruhe bei der Landesregierung an, ob man sich in Lörrach in Deutschland oder in der Schweiz befände! Schließlich konnte man sich Anfang 1924 auf 20 Cts. Schweizergeld oder 16 Reichs-Pfennig Hartgeld bzw. 16 Milliarden Papiergeld einigen.

Erneuten Ärger mit der Straßenbahn und unerfreuliche Verzögerungen gab es ebenfalls 1924, als wegen Personalmangel und zur Einsparung von Personalkosten der

"Einmannbetrieb"

eingeführt wurde.

Tramhaltestelle Lörrach Marktplatz, Postkarte aus dem Jahr 1922


Mit der Währungsreform am 15. November 1923 (Einführung der Rentenmark) wurde die Inflation beendet. Die wirtschaftlichen Verhältnisse stabilisierten sich schnell wieder und auch die Fahrgastzahlen auf der Straßenbahnlinie nahmen schnell wieder zu.

Am 15. Mai 1926 wurde der Pendelbetrieb Grenze - Bahnhof Lörrach aufgehoben und es wurde - was der Vertrag eigentlich schon von Anfang an vorsah - die direkte Fahrt über die Grenze nach Basel möglich. Anfangs wurde aber an der Grenze das Fahrpersonal gewechselt.

Der Einführung des durchgehenden Verkehrs ging allerdings ein umfangreicher Schriftwechsel voraus.

Am 24. November 1925 veröffentlichte das Oberbadische Volksblatt in seiner Ausgabe Nr. 275 den nachstehenden Artikel:

Angeregt durch diesen Zeitungsartikel wandte sich der Vorstand der Betriebsinspektion an die Direktion in Karlsruhe und bat um Hilfe:

"Bevor ich an die Direktion der Basler Straßenbahnmit dem Ersuchen um Aufklärung herantrete, bitte ich um Entschließung, inwieweit dies geschehen soll. Die Aufsichtspflicht, die wohl vorsieht, daß auf Verbesserung der Betriebsverhältnisse gedrängt wird, kommt in Widerspruch der Pflicht, den (unleserlich) zu bekämpfen.

Bis jetzt fahren die Lörracher Straßenbahnen bis zum Deutschen und die Basler Straßenbahnen bis zum Schweizer Zoll. Zwischen beiden Zöllen liegt ein Weg von etwa 100 m. Die Durchführung der Linie von Lörrach nach Basel scheidet aus, weil die deutsche Strecke etwa den 3. Teil des Verkehrs hat, wie die Schweizer.

Dementsprechend fährt die Schweizer Linie mit großen Wagen und 2 Anhängern, während auf der deutschen Strecke ein kleinerer Wagen ohne Anhänger genügt.

Bei dieser Sachlage könnte man vom allgemeinen Verkehrsstandpunkt ausgehen, daß auf die Ausgangsbehandlung beider Zoll- und Paßstellen verzichtet werde und bei der Fahrt von Basel bis zum deutschen Zoll, von Lörrach zur Grenze bis zum Schweizer Zoll vorgefahren werde, sodaß der Fußmarsch von der einen zur anderen Zollstelle erspart würde.

Ich darf aber darauf hinweisen, daß jede Erleichterung beim Straßenbahnbetrieb den Wettbewerb zugunsten der Straßenbahn fördert."

gez. Unterschrift

Aus Karlsruhe kam am 1. Dezember 1925 die folgende Antwort:

"Wir beabsichtigen vorerst nicht in eine Erörterung der Lörracher Straßenbahnwünsche einzutreten, weil die Behandlung der Angelegenheit in diesem Stadium in den Aufgabenkreis der Betriebsunternehmerin, der Stadtgemeinde Lörrach, gehört."

gez. Unterschrift


Oberbadisches Volksblatt Nr. 13 vom 16. Januar 1926

Vermutlich angeregt durch obigen Pressebericht vom 16. Januar 1926 und durch eine entsprechende Anfrage der Reichsbahndirektion Karlsruhe wurde die Betriebsispektion Basel wieder tätig und schrieb am 18.Januar die nachstehenden Zeilen:

"Die Straßenbahn Lörrach - Landesgrenze betreffend.

An die Direktion der Basler Straßenbahnen in Basel

Ende letzten Jahres war in deutschen Zeitungen zu lesen, die Basler Straßenbahnen würden mit Inkrafttreten den neuen Fahrplanes 1926 / 1927 im kommenden Frühjahr den bisherigen Pendelverkehr von Lörrach bis Landesgrenze aufheben und die Straßenbahnwagen von Basel bis Lörrach Bahnhof durchführen.

Es wird um Mitteilung gebeten, ob eine solche Absicht tatsächlich besteht und zutreffendenfalls ob damit eine Vermehrung der Fahrten auf der deutschen Strecke verbunden wäre und in welchem Umfang.

Würde die bisherige getrennte Fahrpreiserhebung beibehalten oder würden durchgehende Fahrpreise eingerichtet werden?

Welche Aufenthalte würden an der Landesgrenze für die beiden Zölle vorgesehen werden?

Diese Erhebungen erfolgen im Auftrag der Reichsbahndirektion in karlsruhe als Aufsichtsbehörde für die Straßenbahn in Lörrach.

Um eine baldigste Antwort wird gebeten."

Hier das Original

Ein Antwortschreiben der Basler Straßenbahnen ist in den vorliegenden Akten leider nicht vorhanden. Es muß aber alsbald eingegangen sein, denn am 26. Januar 1926 berichtete die Betriebsinspektion Basel nach Karlsruhe:

An RBD in Karlsruhe

unter Anschluß zweier Schreiben und 2 Fahrplanentwürfen der Basler Straßenbahnen wieder vorgelegt.

Hiernach wird auch bei durchgehendem Betrieb von Basel bis Lörrach Bahnhof und umgekehrt die seitherige Zugfolge (12-Minuten-Betrieb) beibehalten werden.

Dagegen ist beabsichtigt, die auf Lörrach entfallende Strecke in das Basler Netz einzurechnen und hiernach die Fahrpreise festzusetzen. Hierdurch wird eine Fahrpreisermäßigung erreicht, weil bisher für die beidseitigen Strecken bis und ab Landesgrenze getrennte (Mindest-) Fahrpreise erhoben worden sind:

Lörrach Bf - Landesgrenze 20 Rp = 16 Pf

Landesgrenze - Basel Mitte Stadt = 45 Rp

Künftig betragen die Fahrpreise: (bitte klicken)

Und natürlich machte man sich bei der Betriebsinspektion in Basel auch Sorgen um die künftige Wirtschaftlichkeit der parallel zum Straßenbahn verlaufenden Wiesentalbahn zwischen Lörrach und Basel Bad Bf.

"Dabei steht aber der Straßenbahn der Vorteil zur Seite, daß ihre Reisenden vom Einsteigeplatz bis zum Ziel ohne Wagenwechsel durchfahren können, während die Reisenden der Reichsbahn entweder ab Bahnhof Basel Bad zu Fuß in die immerhin ziemlich entfernt liegende Stadt gehen oder aber die Straßenbahn benützen müssen.

Letzterer Reisende benützen allerdings vorteilhafter die Straßenbahn auf der ganzen Strecke, denn bei getrennter Fahrgeldentrichtung- teils Reichsbahn, teils Straßenbahn - verschiebt sich der Preisunterschied auf jeden Fall zuungusten der Reichsbahn.

Zur Zeit werden an Fahrzeiten benötigt:

Basel Mitte Stadt - Landesgrenze und umgekehrt = 24 Minuten

Basel Bad Bf - Landesgrenze = 15 Minuten

Lörrach Bahnhof - Landesgrenze = 8 Minuten (ohne Zollaufenthalt)

Die Fahrzeiten Basel - Lörrach werden beim durchgehenden Betrieb, wenn also das Umsteigen an der lasndesgrenze entfällt, um 2 - 3 Minuten gekürzt.

Die künftigen Fahrzeiten wollen auf dem beiliegenden Fahrplanentwurf ersehen werden."

Durchgehender Fahrplan gültig ab 15. Mai 1926
Entwurf vom 19. Januar 1926
Die linke Seite des Planes ist leider nicht mehr erhalten.

Weiter wird in dem Schreiben angeführt:

"Der bei Wiedereinsetzen des stärkeren Verkehrs zu öffnende besondere Ausgang im Bahnhof Basel steht nicht in Zusammenhang mit dem Verkehr von und nach Riehen, für letzteren ausschließlich ist ein besonderer Ein- und Ausgang vorhanden, zu dessen Bedienung alleine 2 weitere Leute nötig wären. Da der besondere Ausgang für den deutschen Verkehr auch 2 weitere Sperreschaffner erfordert, wären also im Ganzen 4 weitere Leute nötig.

Wenn der volle Verkehr zwischen Basel und Riehen wieder aufgenommen werden sollte, würde auch beim deutschen und schweiz. Zollamt eine Personalvermehrung um 2 bzw. 1 Mann nötig werden."

(Der an der Wiesentalbahn in der Schweiz gelegene Bahnhof Riehen durfte zur damaligen Zeit zu Fahrten zwischen Basel Bad Bf und Riehen und umgekehrt nicht benutzt werden. In Riehen durfte lediglich von und nach dem Wiesental ein- und ausgestiegen werden. Diese Regelung galt noch bis vor wenigen Jahren.)

"Bei der gegebenen Sachlage kann die Reichsbahn einen ernsthaften Wettbewerb mit den Basler Straßenbahnen nicht aufnehmen, der Ortsverkehr Lörrach - Basel wird in der Hauptsache auf die Straßenbahn abwandern:

1. Die Reichsbahn kann auch nicht annähernd gleich viele Fahrgelegenheiten schaffen,

2. Die getrennte Fahrgeldberechnung - Reichsbahn - Straßenbahn bis und ab Basel Bad Bf - verteuert die Fahrten.

3. Die Bequemlichkeit, von Lörrach bis Basel Mitte Stadt ohne Wagenwechsel zu gelangen, kann die Reichsbahn nicht schaffen.

Der Reichsbahn wird der Berufsverkehr bleiben, der sich zwischen Kleinbasel (Stadtteil rechts des Rheins) und Lörrach bewegt. Dieser Verkehr wäre im günstigen Falle auch zwischen Riehen und Basel wieder zu gewinnen, er wäre aber nicht derart, daß er die Kosten der Reichsbahn decken würde.

Außer den weiteren Personalkosten entstehen auch weitere Kosten für weitere Wagen in der Riehener Abteilung (2., 3. und 4. Wagenklasse) wodurch außerdem die begrenzte Belastung der elektrisch gefahrenen Züge zum Nachteil der deutschen Zugsabteilung ungünstig beeinflußt würden."

(Auf der Wiesentalbahn mussten Reisende von und nach Riehen wegen der Zollkontrolle in besonders gekennzeichneten Wagen Platz nehmen.)

"Ich kann deshalb nicht empfehlen, die volle Inbetriebnahme der Stat. Riehen von der Reichsbahn aus in Fluß zu bringen, es sollte mindestens gewartet werden, bis eine solche Anregung von schweizer Seite erfolgt."

Gez. Unterschrift

Am 23. Juni 1926 teilte die Reichsbahndirektion Karlsruhe - Landesaufsicht über die nicht dem allgemeinen Verkehr dienenden Eisenbahnen Badens - dem "Oberbürgermeister der Kreishauptstadt Lörrach" mit, daß der neue Tarif der Straßenbahnen des Kantons Basel Stadt für die Strecke Lörrach - Lörrach-Landesgrenze genehmigt sei.
Nachdem sich der Stadtrat von Lörrach mit den neu eingeführten Fahrpreisen einverstanden erklärt hat, liegt für die Aufsichtsbehörde kein Anlaß vor, Beanstandungen zu erheben.

 

 

Hier enden leider die uns vorhandenen Akten über die Straßenbahn Lörrach.
Es ist anzunehmen, daß die Aufsicht über die Straßenbahn Lörrach von der Staatsbahn auf eine andere Dienststelle übergegangen ist.

 

 

Auf der Baslerstrasse in Lörrach
(auf dem eingleisigen Abschitt zwischen Baumgartnerstr. und Schillerstr.)
Postkarte aus dem Jahr 1926

Lörrach Marktplatz (um 1934)
Das Tram führt eimen Anhängerwage mit, es gab noch durchgehenden Verkehr zwischen Basel uind Lörrach.
(Die Baslerstraße war bereits in Adolf Hitler-Straße umbenannt worden)

Marktplatz in Lörrach

Das Foto dürfte um 1930 entstanden sein. Auf seiner Rückseite ist zu lesen:
"Adolf Hitler-Straße am Marktplatz. Dieses Haus (X) steht nicht mehr, ist vor eimigen Jahren (1933) abgebrannt.
Jetzt steht ein schön modernes Haus dort: Cafe Binoth.
Straßenbahn fährt auch seit des Krieges nicht mehr".

 


Nach einer "Blütezeit" erfolgten ab 1934 erneut Einschränkungen im Betrieb der Lörracher Straßenbahn.

Als vermehrt schwarz-weiß-rote Fahnen über Lörrach wehten und braune Horden durch Lörrach zogen, verlor der grenzüberschreitende Straßenbahnverkehr stark an Attraktivität.

Ab 1938 wurde wiederum nur noch im "Binnenverkehr" Grenze - Bahnhof gefahren, und am 1. September 1939 wurde der Straßenbahnbetrieb wegen des Ausbruchs des 2. Weltkrieges völlig eingestellt.

Die Straßenbahnwagen fuhren in ihre Heimatstadt Basel zurück. Ersatzweise kamen Busse zum Einsatz, welche jedoch nur bis 1942 liefen.

Bis 1947 war es dann still und einsam an der sonst so belebten Grenze in Lörrach-Stetten.

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