Das Ende naht
Das bevorstehende Ende der Bahnline St. Ludwig - Weil-Leopoldshöhe war eigentlich schon mit Unterzeichnung des Friedensvertrages von Versailles ("Versailler Vertrag" am 28. Juni 1919 besiegelt.
Gemäß Artikel 358 dieses Vertrages sicherte sich Frankreich
das Recht zum Bau und zur Speisung eines Schiffahrtskanales auf der französischen
Rheinseite sowie zum Bau von Kraftwerken.
Deutschland gesteht Frankreich das Anlege- und Wegerecht in allen rechtsrheinischen
Geländestreifen, die für den Bau von Wehren erforderlich werden, zu.
So wurde etwas nördich der Eisenbahnbrücke bei Märkt ein Stauwehr errichtet, welches das Rheinwasser in das etwa 6 km lange Teilstück des Rheinseitenkanals bis nach Kembs leitete. In Kembs entstand ein Stauwehr mit Wasserkraftwerk. Diese Arbeiteten dauerten von 1922 bis 1932.
Durch das Aufstauen des Rheins hatte die Eisenbahnbrücke künftig nicht mehr die erforderliche Durchfahrtshöhe von 7 Metern.
Der Reichsverkehrsminister in Berlin berichtete am 17. Mai 1933 an die Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahngesellschaft:
"Betr: Hüninger Brücke
Nachstehenden Auszug aus dem Bericht meines Sachbearbeiters über die April-Tagung 1933 der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt teile ich zur gefälligen Kenntnisnahme ergebenst mit:
"Hüninger Brücke". Außerhalb der Tagesordnung berichtete der französische Delegierte D r e y f u s über einen neuen Vorschlag der Französischen Regierung hinsichtlich der Beseitigung des Brückenhemmnisses. Die Brücke hat bekanntlich nicht die für übrige Bauten des Kembser Kanals vorgeschriebene lichte Höhe von 7 m über dem (höchsten) Kanalspiegel. Die Projekte für ihre Hebung sind von den deutschen und französischen Verwaltungen seit längerer Zeit aufgestellt und beiderseits geprüft. Über die Tragung der Kosten war bisher noch nicht gesprochen worden. Die französische Delegation befand sich bei der November-Tagung 1932 wegen der Dringlichkeit der Hebung infolge der im Dezember beginnenden Aufstauung des Kanals in peinlicher Verlegenheit. Sie teilte nunmehr mit, daß bei der Deutschen Regierung beantragt wurde, diese Brücke überhaupt fallen zu lassen.
Über sie werden zur Zeit, soweit dem Unterzeichneten bekannt, täglich zwei Personenzugpaare und Güterverkehr aus Südbaden geleitet, der unter Umgehung des schweizer Zollgebietes unmittelbar zwischen Deutschland und Frankreich abgewickelt werden soll.
Es wird daher zu prüfen sein, ob die Deutsche Reichsbahnverwaltung
ebenso wie anscheinend die französische Eisenbahnverwaltung in der Lage
ist, auf diesen Verkehrsweg zu verzichten und ob wichtige Interessen der Verkehrstreibenden
dadurch getroffen werden.
Ohne deutsche Zustimmung ist der Abbruch der Brücke nach dem Grenzvertrag
nicht zulässig. In einem gegebenenfalls zu schließenden Staatsvertrag
wird die Forderung gestellt werden können und müssen, daß der
unter Umständen wieder notwendig werdende Aufbau der Brücke ausschließlich
auf Frankreichs Kosten vorzunehmen ist, auch dann, wenn inzwischen der Teil
des Vertrages von Versailles und des Grenzvertrages eine Änderung erfahren
sollte, demzufolge zur Zeit Frankreich das alleinige Eigentum an der Brücke
bis zum rechten Ufer hin hat.
Für den französischen Antrag kann auch die seinerzeitige strategische
Bedeutung der Brücke von Einfluß gewesen sein.
Den Antrag der Französischen Regierung werde ich demnächst im Wortlaut übersenden".
Im Auftrag
gez. Unterschrift
Aufgrund dieses Schreibens erbat die Reichsbahndirektion Karlsruhe
den Bahnhof Palmrain um Stellungnahme und um Mitteilung, wieviel Verkehr im
Monatsdurchschnitt über die Rheinbrücke von und nach Frankreich abgewickelt
wird. Man wollte auch wissen, woher die Reisenden und Güter in der Hauptsache
kommen und wohin sie reisen.
Gleichzeitig wollte man wissen, wie man diesen Verkehr zweckmäßig
umleiten könne.
Palmrain erstellte umgehend die nachstehende Statistik:
1 a) Zahl der Reisenden nach dem Ausland |
2
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Nahverkehr zwischen St. Ludwig und Weil (Rhein) | |||
1 b) Zahl der Reisenden von dem Ausland |
2
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2 a) Zahl und Gewicht Expeßgut nach dem Ausland |
5 Stück.
|
200 kg
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Deuschland - St. Ludwig | ||
2 b) Zahl und Gewicht Expreßgut von dem Ausland |
1 Stück
|
288 kg
|
Mülhausen - Todtnau | ||
3 a) Zahl und Gewicht Gepäck nach dem Ausland |
--
|
--
|
|||
3 b) Zahl und Gewicht Gepäck von dem Ausland |
1 Stück
|
4 kg
|
Wein | ||
4 a) Zahl und Gewicht Eilstückgut nach dem Ausland |
30 Stück
|
2925 kg
|
Deutschland - Oberelsaß | ||
4 b) Zahl und Gewicht Eilstückgut von dem Ausland |
10 Stück
|
1098 kg
|
Südfrankreich - Deutschland 5 Stück Oberelsaß - Deutschland 5 Stück |
||
5 a) Zahl und Gewicht Frachtstückgut nach dem Ausland |
109 Stück
|
15075 kg
|
Deutschland - Südfrankreich Deutschland - Oberelsaß |
||
5 b) Zahl und Gewicht Frachtstückgut von dem Ausland |
51 Stück
|
7263 kg
|
Südfrankreich / Oberelsaß - Deutschland 31 Stück Südfrankreich - Polen 20 Stück |
||
6 a) Zahl und Gewicht Wagenladungen Eilgut nach dem Ausland |
--
|
--
|
|||
6 b) Zahl und Gewicht Wagenladungen Eilgut von dem Ausland |
1 Wagen
|
1400 kg
|
Oberelsaß - Deutschland | ||
7 a) Zahl und Gewicht Wagenladungen Frachtgut nach dem Ausland |
112 Wagen
|
1627 Tonnen
|
Deutschland -Südfrankreich / Oberelsaß 58 Wagen.
|
||
7 b) Zahl und Gewicht Wagenladungen Frachtgut von dem Ausland |
206 Wagen
|
3721 Tonnen
|
Oberelsaß u. Saar - Deutschland 124 Wagen Südfrankreich - Deutschland 56 Wagen Südfrankreich - Schweiz 20 Wagen (Terpentinöl) Südfrankreich - Österreich 6 Wagen (Pflanzenöl) |
Diesen Zahlen konnte der Leiter der vorgesetzten Dienststelle Basel Reichsb. Rbf nur noch die folgenden Worte hinzufügen:
"Bei Umleitung wäre zweckmäßig der
Übergang Neuenburg zu wählen. U.E. könnte dieser Verkehr in Neuenburg
ohne Schwierigkeiten und Personalmehrung bewältigt werden. Auch wäre
eine Abwanderung der Sendungen über Buchs nicht zu befürchten."
(Gemeint war natürlich, daß Sendungen von Österreich nach Frankreich auch künftig über deutsche Strecken geleitet werden, und nicht über den Übergasng Buchs durch die Schweiz nach Frankreich fahren.)
Kurze Zeit nach der Erstellung dieser Statistik erschienen Prüfungsbeamte aus Karlsruhe in Palmrain.
Die Direktion in Karlsruhe berichtete anschließend an das Reichsbahn-Betriebsamt in Basel:
"daß den Prüfungsbeamten trotz Besichtigung
des ganzen Bahnhofs beginnend am östl. Einfahrsignal und endigend an der
Rheinbrücke eine Fühlungnahme mit Beamten des Bf Palmrain nicht möglich
war, weil solche weder zu finden waren noch sichtbar wurden.
Die örtl. Prüfung fand um die Mittagszeit statt."
Anscheinend war den hohen Herren aus Karlsruhe nicht bekannt, dass in Palmrain um die Mittagszeit planmäßig Dienstruhe herrschte.
Bemängelt wurde wohl auch der Personalstand, denn das Betriebsamt in Basel meinte hierzu:
"Der Personalbestand im Bf Palmrain, der ein Stück
von Basel Rbf bildet, ist schon so weit wie möglich eingeschränkt.
Das gilt insbesondere vom Wärterdienst, es ist nur noch ein Wärter
zugeteilt, während der Dienst auf Stellwerk 2 von einem der vorhandenen
Arbeiter mitbesorgt wird.
Eine Änderung der Stellwerksanlagen ist nicht möglich, aber eine möglichst
billige Bedienung der Anlage ist erreicht."
Und in Karlsruhe beschloss man dann zum Thema Personal:
"soll beruhen im Hinblick auf die auf Anregung von Frankreich in Erwägung stehende Schließung des Bahnhofs Palmrain."
Am 9. November 1933 gab die Reichsbahndirektion in Karlsruhe bekannt, dass Frankreich beabsichtige, die Grenzübergänge Breisach, Neuenburg und Palmrain für den Viehverkehr zu schließen und wollte wissen, wieviel Viehtransporte an den Grenzübergängen im Jahresdurchschnitt aufkommen.
Palmrain konnte dazu am 10.November 1933 berichten:
"Über den Grenzbahnhof Palmrain wurde seit Jahren
kein lebendes Vieh nach Frankreich befördert.
Gegen die Schließung des Übergangs für den Viehverkehr bestehen
keine Bedenken.
Gemäß Kundmachung 6, Teil B, Länderübersicht
VI, Seite 10 soll auch in Palmrain ein Veterinärdienst eingerichtet sein.
Dies trifft aber nach Auskunft der Abfertigung Palmrain AL nicht zu.
Der Bahnhof ist auch nicht mit einer Rampe / Viehbucht ausgerüstet, sodaß
eine Möglichkeit, das Vieh zur Untersuchung zu entladen, nicht besteht."
Fahrplan der AL vom Mai 1936
Es verkehrten werktäglich noch 2 Zugpaare als "Mixte" (Personenzug
mit Güterbeförderung) zwischen St. Ludwig bzw. Hüningen und Palmrain,
an Sonn- und Feiertagen ein Zugpaar. Zur Weiterfahrt nach bzw. von Weil musste
in Palmrain umgestiegen werden.
Der Verkehr zwischen St. Ludwig und Hüningen wurde überwiegend
mit Bussen abgewickelt.
(Archiv Eisenbahnfreunde Wehratal e.V.)
(Bei diesem Fahrplan wurden auf den 7 Kilometern Fahrstrecke
zwischen Weil und St. Ludwig wahrlich "atemberaubende" Reisegeschwindigkeiten
erreicht: Weil (Rhein) ab 15.44 Uhr, Palmrain an 15.48 Uhr, aussteigen, Zollkontrolle,
Palmrain ab 16.10, Hüningen an 16.19, umsteigen, Hüningen ab 17.20,
St. Ludwig an 17.25. Reisezeit insgesamt 1 Stunde und 41 Minuten, durchschnittliche
Reisegeschwindigkeit 4,15 km/h.)
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