Antrag auf Anlegung eines besonderen Ausladegleises
Immer wieder beschwerten sich die Wehrer Gewerbetreibenden über unhaltbare Zustände und massive Behinderungen bei Ein- und Ausladen von Gütern auf der Station Wehr.
Am 30. November 1925 richtete der Gewerbeverein Wehr an die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft, Reichsbahndirektion Karlsruhe ein Schreiben mit dem Titel "Anlegung eines Ausladegleises betreffend":
"Wir gestatten uns, der Reichsbahndirektion Karlsruhe
folgende Bitte zu unterbreiten:
Von unseren Mitgliedern, besonders aus der Jndustrie, wird lebhafte Klage darüber
geführt, dass hier ein besonderes Ausladegleis nicht vorhanden ist. Bei Ankunft
eines jeden Güterzuges muss das Aus-und Einladen von Gütern unterbrochen werden,
da die Güterzüge auf dem Ausladegleise rangieren müssen. Ein Zeitverlust von
jedesmal 10 -20 Minuten ist die Folge davon. Die Leute stehen während dieser
Zeit nutzlos da, müssen aber für ihr Warten bezahlt werden. Dass dieser Zustand
in der heutigen wirtschaftlichen Not einfach unerträglich ist, dürfte auch der
Reichsbahndirektion klar sein.
Die hiesige Jndustrie lädt im Monat durchschnittlich 1000 bis 1100 Tonnen
ein und aus. Dazu kommen die für die Bauhandwerker, Geschäftshäuser, die bäuerliche
Genossenschaft und für Todtmoos bestimmten Güter. Dass grosse Beträge gegeben
werden müssen, liegt auf der Hand. Es kann wohl kaum in Abrede gestellt werden,
dass ein Verladegleis hier eine zwingende und dringende Notwendigkeit ist. Wie
uns bekannt ist, wurde bereits 1914 die Anlegung dieses Gleises erwogen, die
Verwirklichung blieb wegen Kriegsausbruchs aus. Wir dürfen aber heute daran
erinnern, dass 1914 dieser Mißstand schon gerügt und dass dort auch
Abhilfe versprochen wurde. Die Verhältnisse sind heute noch viel schlechter
geworden. Der Verkehr hat sich vergrössert, die Wirtschaftlichkeit der Betriebe
verkleinert. Es muss demgemäss jedermanns Bestreben sein, alle unnötigen Auslagen
zu vermeiden, um die Wirtschaftlichkeit zu heben. Zu diesen unnötigen Ausgaben
gehören aber vor allem die Löhne und Gelder für unnützes Warten am Bahngeleise.
Wir glauben annehmen zu dürfen, dass sich die Reichsbahndriektion diesen
Gründen nicht verschliessen und die berechtigten Wünsche anerkennen
wird.
Wir bitten daher die Reichsbahndirektion, die Anlegung eines Ausladegleises
in kürzester Frist in die Wege zu leiten.
diese Anlage dürfte sich mit altem Material und mit ganz geringen Kosten
auf dem bahneigenen Gelände Längs des Hanges (nach der evangel. Kirche
hin) ausführen lassen.
Der I. Vorstand:
Der Schriftführer:"
Die Reichsbahndirektion leitete das obige Schreiben weiter an die Betriebsinspektion in Basel mit der Bitte um Bericht. Diese wiederum bat das Stationsamt Wehr um Stellungnahme zu den Vorwürfen des Gewerbevereines.
Das Stationsamt antwortete am 22. Dezember 1925 wie folgt:
"Im letzten Vierteljahr wurden täglich durchschnittlich
3 Wagen zur Be- und 7 Wagen zur Entladung bereitgestellt. Die höchste Zahl
an einem Tage war bei den ersteren auf 8 und bei letzteren auf 16 gestiegen.
Die Verlader werden z.Zt. täglich einmal durch das Verschubgeschäft
gestört und zwar von Mittags 1.25 bis 2.40 Uhr, in den Sommermonaten noch
von 5.20 bis 6.20 Uhr.
Die Störung dürfte auch nicht größer sein als sie auf anderen
Stationen mit umfangreichem Wagenladungsverkehr ist.
An den Tagen, an welchen wie oben angegeben, eine größere Anzahl
Wagen eingetroffen, war es nicht möglich, alle bereitzustellen. Von den
zu entladenden Wagen mußten etwa 4 - 5 zurückgestellt werden
Die Bittsteller erhoffen von der Erstellung eines zweiten Ladegleises eine Besserung
in der Hinsicht, daß wenn ein solches vorhanden wäre, die noch nicht
völlig be- oder entladenen Wagen nach Ankunft des Güterzuges auf dem
Gleis bleiben bzw. nach demselben verbracht werden, wo am wenigsten rangiert
wird. Hier könnte dann das Ladegeschäft ungestört ausgeführt
werden. Auch wäre es möglich, auch bei stärkstem Verkehr alle
Wagen bereitzustellen, wenn ein weiteres Ladegleis vorhanden.
Die in der Anlage vom Gewerbeverein gemachten Ausführungen in Bezug auf die Verhältnisse vom Jahre 1914 sind zutreffend. Nach Kriegsende war der Verkehr aber sehr vielen Schwankungen unterworfen. Wir haben auch bei Überfüllung der Ladegleise so gut es ging, zu helfen gesucht, damit Stockungen vermieden wurden. Dieselben im vergangenen Spätjahr waren in der Hauptsache darauf zurückzuführen, daß die Reparatur der Brückenwaage auf diese Zeit fiel. Nach Beendigung derselben wickelte sich die Bereitstellung der Wagen glatt ab. Wenn die Erstellung eines zweiten Ladegleises in Frage käme, so wäre dasselbe der Straße entlang über dem Graben neben derselben gedacht."
Die Betriebsinspektion in Basel fügte der Stellungnahme aus Wehr noch bei:
"Nach der Verkehrsübersicht von Wehr betrug der Wagenladungsverkehr:
1925
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Im Empfang
|
Im Versand
|
im Monat
|
Tonnen
|
Tonnen
|
September |
1690
|
544
|
Oktober |
2076
|
658
|
November |
989
|
566
|
Hiernach ist der Empfang sehr variabel, der Versand dagegen verbleibt ziemlich stabil. Die Ladegleise müssen durch das Manöver der beiden Güterzüge geordnet werden. Beim Versand sind andere Wagenstellungen erforderlich, als durch den Empfang nach Entladung frei werden. Letztere werden in der Hauptsache leer nach anderen Stat. zugewiesen, oder werden von anderen Stat. leer zugeführt. Eine Erweiterung der Freiladeanlagen ist von erheblich geringerer Bedeutung. Wenn die Gewerbetreibenden meinen, die Sache ließe sich derart angehen, daß beispielsweise auf dem betreffenden Freiladegleis Wagen nur zur Entladung, und auf dem zu beschaffenden nur solche zur Beladung gestellt werden könnten, und dort dann ein durch das Manöver ungestörtes Ladegeschäft erreichbar sei, so sind sie im Irrtum. Es kommt in Wehr vielmehr darauf an, die betreffenden Einrichtungen auszunutzen."
Angesprochen wird auch die Unsitte der Holzverlader, welche den Platz neben
dem Ladegleis monatelang mit noch nicht verkauftem Holz belagern. Trotz Erhebung
von Platzgeld durch die Station Wehr "denken die Leute nicht daran,
den Platz zu räumen". Bei einer Räumung des Holzplatzes würde
das Gleis 4 zur Aufstellung von 16 Wagen zur Be- und Entladung ausreichen, und
somit auch einem Spitzenverkehr bei der Stat. Wehr genügen.
Man hält die Anlage des gewünschten zusätzlichen Ladegleises
nicht für glücklich, da maximal Platz für 6 bis 8 Wagen geschaffen
werden könne. Auch wären größere Umbauarbeiten an der jetzigen
Ladestraße erforderlich, "und der Erfolg wäre kein großer".
Und so antwortete dann die Reichsbahndirektion Karlsruhe dem Gewerbeverein Wehr am 30. Januar 1926 wie folgt:
"Unsere Erhebungen haben ergeben, dass in Wehr in der Zeit des Spätjahrverkehrs
durchschnittlich täglich 6 Wagen beladen und 14 Wagen entladen wurden;
die derzeitigen Ladegleise mi einer Nutzlänge von 350 m reichen somit zur
Bewältigung dieses Verkehrs aus. Die von Jhnen beklagten Unterbrechungen
des Ladegeschäftes durch unvermeidliche Verschubbewegungen wird soweit
irgend möglich eingeschränkt; sie lässt sich jedoch naturgemäss
nicht ganz vermeiden. Die gleichen Verhältnisse liegen auch auf andern
Bahnhöfen vor.
Das Freiladegleis wird nach unseren Feststellungen durch Lagerung von grösseren
Mengen Roll- und Brennholz in seiner Benützung eingeschränkt. Bevor
eine mit erheblichen Kosten verbundene Gleiserweiterung in Frage kommt, müsste
beim Anwachsen des Verkehrs den Platzpächtern je nach Bedürfnis die
Entfernung der Holzmengen zur Auflage gemacht oder der Platz selbst gekündigt
werden. Es besteht für die Eisenbahnverwaltung keine Verpflichtung ausreichenden
Platz zur längeren Lagerung zur Verfügung zu stellen, besonders dann
nicht, wenn wie hier, die Gleisanlage zur ungehinderten Abwicklung des Ladegeschäfts
weiter benötigt werden sollte.
Wir werden die Verkehrsbedürfnisse in Wehr auch in dieser Hinsicht im Auge
behalten und rechtzeitig die erforderlichen Massnahmen treffen."