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Bahnhofsvorsteher Kisselmann

Herr Ludwig Kisselmann dürfte der am längsten beim Bahnhof Wehr tätige Bahnhofsvorstand gewesen sein. Seine Tätigkeit in Wehr dauerte mindestens von 1914 bis 1933.

Aus seinem Nachlass wurden uns von einem seiner Nachkommen einige interessante Dokumente zur Verröffentlichung überlassen, wofür wir uns hier recht herzlich bedanken.

Herr Kisselmann trat am 16. August 1892 bei der Großherzoglichen Bahnexpedition in Königsbach (Baden) "zur Erprobung und Erlernung" seinen Dienst als "Bureaugehilfe" an, nachdem er bei der Großherzoglichen Betriebsinspektion in Pforzheim eine theroretische Prüfung abgelegt hatte.

Die Generaldirektion der Großherzoglich Badischen Staateisenbahnen erließ am 5. August 1892 eine "Annahmeverfügung" über seine Einstellung:

An Herrn Ludwig Kisselmann,
Sohn des Schreiners Kisselmann

in Königsbach (Baden)

 

 

No. 66983 G.D.

"Mit Bezug auf die Eingabe vom 7. v. Mts. (= vorigen Monats) eröffnen wir Ihnen hiermit, daß Sie auf Grund der vor Grh. Betriebsinspektion in Pforzheim abgelegten theoretischen Prüfung unter die Zahl der Gesuche für Bureaugehilfenstellen aufgenommen und der Grh. Bahnexpedition Königsbach zur Erprobung und Erlernung des Dienstes zugeteilt worden sind, bei welcher Stelle Sie sich unter Hinterlegung einer baren Dienstkaution von 600 M *) alsbald zum Dienstantritt zu melden haben.

Dabei wird bemerkt, daß Sie - Ihre Beibehaltung im Eisenbahndienst vorausgesetzt - die Beamteneigenschaft im Sinne des § 1 Bad. Beamtengesetzes nicht vor Ablauf von 5 Jahren von der erfolgten Bestätigung als Gehilfe an gerechnet und eine etatmäßige Anstellung auf den regelmäßig mit geprüften Eisenbahngehilfen besetzten Amtsstellen überhaupt nicht erhalten können, dass aber die in besonderem Abdruck hier beigefügter Vorschriften in § 8 Absatz 1, §§ 9, 11, 12, 13, 14, 89 und 124 des Beamtengesetzes nebst dazu ergangenen und noch zu ergehenden Vollzugsanordnungen auch auf Sie Anwendung finden.

Für die Auflösung des Dienstverhältnisses wird eine gegenseitige Kündigungsfrist von 14 Tagen bedungen. Über den Empfang dieser Annahmeverfügung haben Sie uns Bescheinigung zukommen zu lassen.

i.V.
gez. Unterschrift"

Hier das Original der "Annahmeverfügung"

*) = 600 Mark (Goldmark)
Die Goldmark war die Währung des Deutschen Kaiserreichs von 1871 bis 1918. Sie wurde mit dem Münzgesetz vom 9. Juli 1873 in Verkehr gebracht und ersetzte 8 Landeswährungen mit 119 verschiedenen Münzsorten wie Taler, Gulden, Kreuzer usw.

Umrechnungshinweise:
(Kaufkraft) laut Hamburger Staatsarchiv und Statistischem Bundesamt (Quelle Fredrik Mathäi)
1 Goldmark (1873–1899) = 9,86 Euro; 1 Goldmark (1900–1912) =5,17 Euro; 1 Goldmark (1913/14) = 4,87 Euro.
(gem. Wikipedia)

Es war bestimmt eine Menge Menge Geld, welches wohl sein Vater vorstrecken musste, wenn man bedenkt, dass das Jahreseinkommen eines Büro-Assistenten im Jahre 1906 incl. Wohnungsgeld 1750 Mark betrug.

Anstellungen und Beförderungen Beförderungen wurden den Eisenbahnern damals mittels einer "Bestallungsurkunde" mitgeteilt.

Mit Bestallungsurkunde vom 3. August 1906 wurde Ludwig Kisselmann mitgeteilt, dass ihm mit Wirkung vom 1. Juli 1906 eine "etatmässige Amtsstelle eines Bureauassistenten" übertragen wurde. Sein "Einkommensanschlag" wird auf 1300 Mark Gehalt und 450 Mark Wohnungsgeld, insgesamt 1750 Mark, festgesetzt.

Mit Wirkung vom 1. Juli 1908 wird der Bureauassistent Ludwig Kissselmann "unter Belassung dieser Amtsbezeichnung" als Bureau- und Abfertigungsbeamter "in die Abteilung J Ord. Zahl 3 des Gehaltstarifs eingereiht".
Sein jährlicher Einkommmnnenanschlag wird auf ein Gehalt von 1550 Mark und 450 Mark Wohnungsgeld, insgesamt 2000 Mark, festgesetzt.

Zu jener Zeit war Ludwig Kisselmann beim Bahnhof Biberach-Zell -heute Biberach (Baden)- tätig. Ab 1. Juli 1910 wurde ihm zu obigem Gehalt noch eine Zulage von 100 Mark gewährt. Auch hierüber existiert noch eine "Urkunde über den Einkommensanschlag".

Kurze Zeit später begann dann anscheinend die Karriere von Ludwig Kisselmann als Stationsvorsteher. Im Jahre 1912 war er beim Bahnhof Eubigheim tätig.
Mit "Urkunde über den Einkommensanschlag" wird ihm ein Gehalt von 1700 Mark, 140 Mark Zulage sowie 520 Mark Wohnungsgeld, insgesamt 2360 Mark, "verwilligt".

Der Einsatz in Eubigheim dauerte nicht lange, Ludwig Kisselmann wurde als Stationsvorsteher nach Wehr versetzt. Diese Versetzung dürfte bereits Mitte 1912 erfolgt sein. Seine erste Unterschrift in Wehr finden wir am 19. Oktober 1912 auf einer Verfügung der Betriebsinspektion Basel, in welcher das Einschalten der Fahr- und Speiseleitungen im Zuge der elektrifizierung der Wiesen- und Wehratalbahn bekann gegeben wurde.
Ludwig Kisselmann durfte demnach die Eröffnung des elektrischen Betriebes auf der Wehratalbahn am 13. September 1913 miterleben.

Die erste Urkunde über den Einkommensanschlag für seine Tätigkeit als Stationsvorstehers von Wehr stammt vom 1. Juni 1914. Ab 1. Juli 1914 wird ihm zum Gehalt von 1840 Mark eine Zulage von 150 Mark und ein Wohngeld von 520 Mark zugebilligt.

Zum 1. Juli 1916 gab es schon wieder eine Gehaltserhähung, diesmal 1990 Mark Gehalt, 150 Mark Zulage und 520 Mark Wohnungsgeld.

Am 9. September 1917 erhielt Ludwig Kisselmann vom Generaldirektor der Großherzoglich Badischen Staatsbahn die Mitteilung, dass ihm "Seine Königliche Hohheit der Großherzog" gnädigst geruht haben, das Kriegsverdienstkreuz zu verleihen.

Mit Wirkung vom 1. Juli 1918 wurde ihm dann ein Gehalt von 2140 Mark, Zulage von 150 Mark und Wohnungsgeld von 520 Mark bewilligt.

Zum 1. März 1920 gab es dann bereits wieder eine Gehaltserhöhung, vermutlich auch deshalb, weil bereits die Inflation eingesetzt hatte.
Gemäß "Nachtrag VII zum Staatsvoranschlag 1918/19" stetzt sich das Jahresgehalt wie fogt zusammen: Gehalt 2290 Mark, pensionsfähige Dienstzulage 300 Mark, voranschlagsmäßige Dienstzulage 300 Mark, Wohngeld 520 Mark = 3410 Mark insgesamt.

Die "Urkunde über den Einkommensabschlag" vom 1. März 1920 war die wohl letze ihrer Art, am 1. April 1020 trat der Staatsvertrag zur Gründung der Reichseisenbahnen unter der Hoheit des Deutschen Reiches tritt in Kraft und die Badische Staatseisenbahn hörte auf zu existieren.

Stationsvorstand Ludwig Kisselmann mit Frau Gemahlin und Tochter vor dem Blockapparat in Wehr.

Am 16. August 1932 konnte der inzwischen zum Oberbahnhofsvorsteher beförderte Ludwig Kisselmann in Wehr sein 40-jähriges Dienstjubiläum feiern. Er erhielt vom Präsidenten der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft, Reichsbahndirektion Karlsruhe, ein Glückwunsch-Schreiben , ebenso ein Glückwunsch-Schreiben des Generaldirektors Dorpmüller der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft sowie eine vom Reichspräsidenten Paul von Hindenburg unterzeichnet Urkunde.

Bald nach seinem 40-jährigen Dienstjubiläum dürfte Oberbahnhofsvorsteher Ludwig Kisselmann den Bahnhof Wehr verlassen haben um seinen künftigen Dienst als Bahnhofsvorsteher in Steinbach (Baden) anzutreten.

In Steinbach wurde er am 12. Oktober 1936 in den Ruhestand verabschiedet. Der Präsident der Reichsbahndirektion Karlsruhe wünschte ihm, dass er sich seines Ruhestandes recht lange erfreuen möge. Die war ihm allerdings nicht vergönnt, er starb kurz nach seiner Pensionierung.

Aus dem Nachlass von Ludwig Kisselmann sind auch noch einige historische Fotos erhalten geblieben.

Herzlichen Dank an Herrn Dieter Kisselmann für die Überlassung der Dokumente zur Veröffentlichung auf unserer Seite.

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