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Antrag auf bauliche Erweiterungen und Veränderungen beim Bahnhof Wehr

Am 10. April 1921 stellte der Bahnhof Wehr an die Generaldirektion in Karlsruhe einen Antrag , das Baubudget 1921/22 betreffend.

Stationsvorstand Kisselmann schrieb wie folgt:

"Der Gepäckraum der hiesigen Station hat sich besonders in der letzten Zeit für den umfangreichen Gepäck- und Expressgutverkehr als viel zu klein und unzulänglich erwiesen. Selbst bei normalem Verkehr hat er kaum genügt, um das anfallende Gepäck zu fassen. Auch sollte der Zugang zu demselben geändert werden, da die am Schalter stehenden Reisenden bei Auflieferung und Abholung von solchen fortwährend belästigt :werden. Jn den ersten Jahren nach Erbauung der Bahn mag ja die Anlage den Anforderungen genügt haben, aber bei dem heutigen starken Verkehr ist sie unter keinen Umständen ausreichend. Zur Unterbringung des Expressgutes wurde uns wohl ein Wagenkasten zur Verfügung gestellt, welcher bei dem Abortgebäude an dem Dienstgartengelände entlang seinen Standort hat. Es ist jedoch umständlich und zeitraubend die Güter dahin zu bringen und wieder abzuholen. Auch sind sie der ständigen Überwachung entzogen. Das Gelände, welches neben dem Kasten herzieht, ist in der Ertragsfähigkeit sehr ungünstig beeinflusst, weil ihm Luft und Sonne fast gänzlich fehlen. Bei den heutigen Verhältnissen kann dasselbe nicht brach gelegt werden. Um dem ungesunden Zustande abzuhelfen, sollte der Wartsaal zweiter Klasse für Erweiterung des Gepäckraumes genommen werden und dann als Zugang ein Schalter, wie es bei den meisten Stationen der Fall ist, angebracht werden. Dadurch würde auch vermieden, dass die Reisenden, welche Gepäck aufgeben, dem Stationspersonal hinderlich im Wege stehen. Der Wartsaal dritter Klasse könnte durch einen Anbau verlängert und ein Teil desselben für einen solchen zweiter Klasse eingerichtet werden. Ferner ist der Schalterervorraum für den gegenwärtigen Verkehr auch zu klein. Bei einem grossen Andrang - und dieses kommt öfter vor - ist es manchmal für die Reisenden fast lebensgefährlich, so daß es der fortwährenden Ermahnungen zur Besonnenheit bedarf, um Auseinandersetzungen und zuletzt noch Schlägereien zu verhüten. Der jetzige Platz könnte durch Herausbrechen der Wand, in welcher sich der Schalter befindet, erweitert werden. Der Letztere muss überhaupt an einen anderen Ort verlegt werden, da der gegenwärtige Zustand ein unhaltbarer ist. Die Beamten klagen fortwährend über Erkältungen, welche auf den starken Durchzug zurückzuführen sind. Auch muss ständig das Papiergeld, welches die Reisenden auf das Zahlbrett am Schalter legen, im Büro zusammengelesen werden. Besonders in der letzten Zeit, wo der starke Nordostwind wehte, machte sich der Mißstand in hohem Masse bemerkbar. Ein Anschlag am Schalter, das Papiergeld wegen Durchzug festzuhalten, wird von den wenigsten Reisenden beachtet. Ein Teil derselben freut sich sogar darüber, wenn die Papiergeldscheine in das Büro hineinfliegen und der Schalterbeamte dann genötigt ist, sie zusammenzulesen. Hier wäre es dringend nötig, dass so bald wie möglich Abhilfe geschaffen wird.
Ferner sollte auch die Güterhalle erweitert werden, da sie für den in erheblichem Masse gesteigerten Verkehr nicht mehr ausreicht. Oft kommt es vor, dass, wir nicht alle Güter unterbringen können. Die in Stückgutwagen ankommenden müssen in denselben belassen, die abgehenden teilweise auf der Rampe gelagert werden. Durch den stets herrschenden Platzmangel leidet die Übersicht über die Güter Not und es entstehen Unregelmässigkeiten, deren Aufklärung immer geraume Zeit in Anspruch nimmt. Auch hier sollte durch einen Anbau eine Vergrösserung geschaffen werden. Die Notwendigkeit der beantragten Erweiterungen ist von dem Herrn Baukontrolleur anlässlich der Besichtigung der baulichen Anlagen anerkannt worden.
Der Bahnsteigschaffner führt Klage, dass er an seinem Standort ständig der Zugluft ausgesetzt sei. Seine Erkrankungen in letzter Zeit seien auf dieses zurückzuführen. Wir möchten deshalb beantragen, daß an der Sperretüre ein Schutzhäuschen erstellt wird.. Dadurch würde auch der Ab - und Zugang der Reisenden geregelt werden. Oft kommt es vor, dass 2- 3 Personen zusammen durch dieselbe gehen wollen, und versuchen den Bahnsteigschaffner beiseite zu schieben, was für die Fahrkartenkontrolle erschwerend ist.
Wir bitten um Genehmigung der Anträge, die wir im Jnteresse einer geordneten Durchführung des Dienstes gestellt haben.
"
(gez) Kisselrnann

Die Betriebsinspektion in Basel ergänzte obiges Schreiben am 22. April 1921:

"Daß der Gepäckraum für den starken Verkehr im Sommer viel zu klein ist, haben wir schon seit Jahren geklagt. Die Reisenden, die den Kurort Todtmoos besuchen, führen in der Regel viel Gepäck mit sich. Eine gründliche Abhilfe konnte auch durch die Aufstellung eines alten Wagenkastens, in dem das Expressgut gelagert wird, nicht erreicht werden. Der Gepäckraum ist für das Gepäck allein ganz unzulänglich. Man wird sich aber mit dem jetzigen Zustand noch weiter behelfen müssen, da eine Erweiterung durch eine Hinzunahme des Wartsaals II. Kl. nicht angängig ist. Auf den Wartsaal II. Kl. kann man in Wehr mit Rücksicht auf die vielen kranken Reisenden nicht verzichten. Ersatz wäre nur durch kostspieligen Anbau möglich. Dringend notwendig ist aber, daß im Schaltervorraum umgehend mehr Platz für den Zugang zum Gepäckbüro geschaffen wird. Dies kann dadurch geschehen, daß der Vorraum Durchlaß und der Schalter nach der Seite verlegt wird. Dadurch wird nicht allein die Belästigung der am Schalter stehenden Reisenden beim Hereintragen des Gepäcks in den Gepäckraum verbessern, sondern es wird auch noch der bei der jetzigen Anlage bestehende Durchzug beseitigt. Bei dem starken Güterverkehr wäre es vorteilhaft, wenn ein besonderer Güterschalter eingerichtet würde, wozu der im Gepäckraum befindliche nicht verwendeteGepäckschalter verwendet werden kann.

Vor der Vergrößerung der Güterhalle, die ebenfalls unzureichend ist, kann man zur Not vorerst noch absehen. Da aber mit einer steten Zunahme des Verkehrs zu rechnen ist, wird man auch bald an eine Verlängerung der Halle denken müssen.

Zur Aufstellung eines Sperrehäuschens liegt ein Bedürfnis nicht vor, da der Bahnsteigschaffner unter Dach steht, daher vor Regen geschützt ist, und die Kartenprüfung bei den einzelnen Zügen nur wenige Minuten dauert."

Am 29. Dezember 1921 stellte die Deutsche Reichsbahn, Eisenbahn-Generaldirektion in Karlsruhe, per Verfügung D48. H7 Nr. 8431 den Betrag von 4.300 Mark zur Verlegung des Fahrkartenschalters der Station Wehr zur Verfügung.

Dies wurde auch dem Stationsvorstand in Wehr mitgeteilt. Der Wehrer Stationsvorstand richtete dann noch am 6. Januar 1922 an die Betriebsinspektion einen weiteren Antrag:

"Im Interesse einer geordneten Schalterabfertigung möchten wir bitten, daß zwei Schalter, einer für Fahrkarten und einer für Güter, eingerichtet werden. In letzter Zeit ist es öfters zu Auseinandersetzungen gekommen, wenn während des Fahrkartenverkaufs Güter abgeholt oder gebracht wurden und die Betroffenen dann einige Zeit warten mussten. Dieses könnte, wenn unserem Antrag entsprochen wird, verhütet werden."

Dem Antrag wurde entsprochen, "im Rahmen des genehmigten Umbaues soll eine zweite Schalteröffnung im Fenster mit entsprechender Geldschublade" eingebaut werden.

Wann der Schalter dann letztendlich umgebaut wurde, ist aus den Akten nicht zu entnehmen. Zu einer Verlängerung der Güterhalle ist es nicht gekommen. Nach der Weltwirtschaftskrise im Jahre 1929 ging wohl der Versand und Empfang von Gütern stark zurück. Auch die beginnende Motorisierung dürfte ihren Anteil dazu beigetragen haben.

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