DRG-Grossversuch mit 50 Hz auf der Höllental- und Dreiseenbahn

Im Jahr 1936 nahm die Deutsche Reichsbahn den elektrischen Probebetrieb auf der Höllental- und Dreiseenbahn mit vier unterschiedlich konzipierten Elektrolokomotiven auf, nachdem diese beiden Strecken während rund eineinhalb Jahren mit dem Fahrdraht überspannt worden waren. Von besonderem Interesse war die Frage, ob sich die vom üblichen Bahnstrom (16 2/3 Hz) abweichende Frequenz von 50 Hz (Industriestrom) bei den extremen Betriebsbedingungen der Höllentalbahn (Steilstrecke, harter Winterbetrieb) bewährte. Mit 50 Hz schwang der Strom aus der Steckdose - die Bahn bezog hier ihren Strom aus dem Landesnetz, wobei eine spezielle Zuführung vom Badenwerk gebaut werden musste. Ausserdem wurde ein Unterwerk in Titisee erbaut, welches in seinen Abmessungen Platz für allfällige Erweiterungen im Zuge einer Elektrifizierung der hinteren Höllentalbahn nach Donaueschingen sowie der Nebenbahn nach Bonndorf gehabt hätte - allein dazu ist es nie gekommen. Die eingebaute Fahrleitung entsprach der Typisierung von 1928, wobei der Mastabstand geringer war, weil die engen Tunnelquerschnitte schmalere Stromabnehmerflächen nach sich zogen.

Mit den vier Lokomotiven (E 244 01, 11, 21, 31) wurden ausgedehnte Versuchsfahrten gemacht - aber sie wurden auch im regulären Betriebsdienst eingesetzt. Die Lokomotiven entsprachen in den äusseren Aufbauten weitgehend den Lokomotiven der Baureihe E 44.5 (E 244 01, ohne Vorbauten) sowie der E 44 (mit Vorbauten). Die elektrische Ausrüstung und Konzipierung war aber bei jeder Lokomotive verschieden, um eben diese unterschiedlichen Antriebskonzepte zu testen. 

Für den Versuchsbetrieb ab 1936 wurden angeschafft:

E 244 01: vier Gleichstrom-Reihenschlussmotoren mit Quecksilberdampfgleichrichtern
E 244 11: vier Gleichstrom-Reihenschlussmotoren mit Quecksilberdampfgleichrichtern
E 244 21: acht 50Hz-Reihenschlussmotoren
E 244 31: kommutarlose Wechselstrom-Phasenspalter-Fahrmotoren

Hinzu kamen noch die:
E 244 22: 1950 aus der kriegsbeschädigten E 44 005, elekrische Ausrüstung wie E 244 21, sowie
ET 255.01: 1950 aus dem kriegsbeschädigten ET 25 026 (zweiteiliger Elektrotriebwagen)

Genauere Beschreibungen der technischen Details dieser Fahrzeuge finden sich im Buch von Scharf/Wollny Höllentalbahn.

Interessantes über den Bau der E 244 22 gibt es hier:

Obwohl sie das Potenzial hatten die Fahrzeit nocheinmal massiv zu verkürzen wurden sie weitgehend in den (langsameren) Plänen der Dampfloks (Baureihe 85) eingesetzt. Für die vollständige Umstellung auf elektrischen Betrieb wären mehr Lokomotiven nötig gewesen. Eine solche gemischte Betriebssituation war recht unwirtschaftlich, und eigentlich wollte die Reichsbahn bereits in den vierziger Jahren den Versuchsbetrieb einstellen - diesem Vorhaben kam aber der Zweite Weltkrieg dazwischen.

Nach dem Krieg hatte die französische Besatzungsmacht ein grosses Interesse am elektrischen Versuchsbetrieb, und so wurden auch französische Versuchslokomotiven (u.a. CC-6051) im Höllental getestet. Noch heute fahren in Nordfrankreich die meisten Züge mit einer Spannung von 50 Hz.

Nachdem in den fünfziger Jahren auch die badische Hauptbahn elektrifiziert worden war, endete der Versuchsbetrieb - die beiden Strecken im Hochschwarzwald wurden auf den üblichen Bahnstrom von 16 2/3 Hz umgestellt. Gleichzeitig wurden bis auf eine alle noch vorhandenen Dampfloks der Baureihe 85 ausgemustert (1960). Danach setzte man Lokomotiven der Baureihe E 44w (w = elektrische Widerstandsbremse) und später die Baureihe 139 (etwa von 1978 bis 1994) hier planmässig ein. Heute sind Lokomotiven der Baureihe 143 (vgl. aktuelle Aufnahmen), die ursprünglich aus Ostdeutschland stammen und sich hier offensichtlich bewährt haben, eingesetzt. Bis Ende 2002 kamen auch Lokomotiven der modernen Baureihe 101 vor dem Interregio nach Seebrugg zum Einsatz.

Die erfolgreiche E 244 31 (in der Auführung mit Phasenspaltermotoren) ist als einzige der vier Versuchslokomotiven im Eisenbahnmuseum Neustadt-Weinstrasse erhalten geblieben, nachdem sie vorher im Deutschen Museum in München und dann in der TH Karlsruhe ausgestellt war.
 

Weiterführende Literatur:

  • Gottwaldt Alfred, Freese Jens. 100 Jahre Höllentalbahn. Eine berühmte Bahnstrecke. Lokomotiven, Technik und Betrieb. Motorbuch-Verlag, Stuttgart. 1987.
  • Kandler, Ulrich. Eisenbahn im südlichen Schwarzwald. Eisenbahn-Journal Sonderausgabe. 1995
  • Ruff, Bruno. Die Höllentalbahn. Transpress Verlag. 1973
  • Scharf, Hans Wolfgang, Burkhard Wollny. Die Höllentalbahn. Eisenbahn-Kurier Verlag, Freiburg. 1989.
  • Diverse Verfasser. 140 Jahre Eisenbahn in Freiburg. Höllentalbahn - Dreiseenbahn. Kameradschaftswerk Lokpersonal beim Betriebswerk Freiburg. 1985


E 244 01 hatte Gleichstrommotoren und einen Quecksilberdampfgleichrichter, mit dem der Strom aus der Fahrleitung umgeformt wurde.

 

Die E 244 31 ist heute noch erhalten und steht im Eisenbahnmuseum Neustadt (Weinstrasse). Äusserlich glich sie einer Serien E 44, abgesehen von geänderten Dachaufbauten. Die elektrische Konzeption dagegen wich von der Serie ab und war richtungsweisend.


Nach Umstellung auf das normale Bahnstromnetz der DB (16 2/3 Hz) im Jahr 1961 prägten die Lokomotiven der Baureihe E 44w (später als BR 145 bezeichnet) lange Zeit das Bild auf Höllental- und Dreiseenbahn. Diese gelungenen Altbau-Lokomotiven wiesen elektrische Widerstandsbremsen auf und hatten jeweils beide Stromabnehmer am Fahrdraht. Sie glichen den Versuchslokomotiven äusserlich weitgehend. Aufnahmen mit freundlicher Genehmigung von A. Spille

 

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